musikschulwelt spricht mit einem der Wise Guys über deren musikalischen Anfänge, den gemeinsamen Weg vom Musik-Hobby zum -Beruf, die Herausforderungen des Bandlebens und einen speziellen Traum …
Sie gründeten sich im selben Jahr wie die Bands Limp Bizkit und Rammstein – Irland gewann damals den Eurovision Song Contest und Nirvana löste sich nach dem Selbstmord ihres Sängers auf. Heute, 18 Jahre später, sind die Wise Guys erfolgreich wie nie. Mit ihrem Vokalpop hat die fünfköpfige Kölner Formation eine einzigartige Erfolgsgeschichte in der deutschsprachigen Musiklandschaft geschrieben, die dem Bandnamen alle Ehre macht: Sie wussten es damals schon besser … Das Gründungsmitglied Marc Sahr (»Sari«) blickt gemeinsam mit musikschulwelt einmal zurück:
musikschulwelt: Ende der 80er-Jahre – ein Zeitalter vor den Castingshows – seid ihr mit A-cappella-Gesang vor euren Mitschülern im Gymnasium aufgetreten. Konnte man sich damals als männlicher Jugendlicher damit nicht einfach nur gnadenlos blamieren?
Aus heutiger Sicht würde ich das bejahen. Wir hatten jedoch das Glück, dass an unserer Schule [dem Kölner Hildegard-von-Bingen-Gymnasium] viel Musik gemacht und gefördert wurde. Es gab Chöre für jede Altersstufe, sodass man als singender Junge kein Außenseiter, sondern eher die Regel war.
Hinzu kommt, dass wir (vielleicht auch um besonders cool zu sein) als Band in der Schule begonnen haben. Damit haben wir dem Eindruck, uncool zu sein, zusätzlich entgegengewirkt.
Der Schlüssel zum Erfolg
musikschulwelt: Wie viel Zeit habt ihr denn während der Schulzeit für euer Bandhobby investiert?
Wir haben zu Schulzeiten unregelmäßig geprobt. Wenn Auftritte anstanden, dann natürlich viel mehr. Für besondere Schulaufführungen durften wir sogar in der regulären Schulzeit üben, aber das war die absolute Ausnahme.
Unsere Musiklehrerin hat sich dafür eingesetzt, dass wir einen eigenen Probenraum bekamen und den zugehörigen Schlüssel, damit wir auch nachmittags hinein konnten. Wie wir später herausfanden, passte der Schlüssel nicht nur auf unseren Probenraum, sondern auf alle Klassenräume, aber das hatte man uns natürlich verschwiegen. Erst nach der Schulzeit haben wir wirklich begriffen, dass das ein enormer Vertrauensbeweis war, den wir damit in die Hand bekamen. Unter anderem dafür sind wir Frau Dohr, unserer Musiklehrerin, bis heute dankbar.
musikschulwelt: Wann hattet ihr denn das erste Mal den Gedanken, dass das gemeinsame Musikmachen euer Beruf werden könnte?
Ich glaube, das begann erst nach dem Abitur. Vorher haben wir natürlich davon geträumt, als Band mit englischen Songs weltberühmt zu werden. Aus dieser Zeit stammt noch die Idee für unseren englischen Bandnamen. Aber das waren nur Tagträume. Nach dem Abitur haben wir uns mit kleinen Auftritten bei Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten ein paar Euro (damals noch D-Mark) dazu verdient. Als wir dann 1994/95 unsere ersten eigenen Konzerte organisierten, rückte die Idee in erreichbare Nähe, dass wir das irgendwann mal professionell machen könnten.
musikschulwelt: Eine Karriere wie die eure kann man ja nicht planen. Welche äußeren Zufälle haben wesentlich zu eurer Karriere beigetragen?
Äußere Zufälle gab es sicherlich eine ganze Reihe. Dazu gehört, dass uns die Kölner Band »Höhner« mal beim Straßenmusikmachen hörte. Sie haben uns dann zu einigen Konzerten als Gäste eingeladen, unter anderem in die Kölner Philharmonie.
Ein anderer »Zufall« war unser Auftritt bei der TV-Show »Geld oder Liebe«. Das war damals eine ziemlich erfolgreiche Sendung und die hat uns eine Menge medialer Aufmerksamkeit verschafft. Ich könnte noch einige weitere Meilensteine aufführen, aber letztlich hat keiner dieser Zufälle uns zu einem großen Durchbruch verholfen. Wir sind – mit einigen Stufen – Stück für Stück bekannter geworden und gewachsen.
Der eigenen Intuition und dem Instinkt folgen
musikschulwelt: Als die Musik nicht mehr länger nur Hobby, sondern nun Beruf wurde – welche bewussten Veränderungen sind bei euch damit verbunden gewesen?
Der Anspruch ist natürlich gewachsen. Sowohl der äußere als auch der eigene. Wenn wir heute ein Album veröffentlichen, dann liegt die Messlatte ziemlich hoch. Unsere Hörer vergleichen die neuen Titel mit ihren Lieblingssongs der alten Alben – und wehe, wenn wir da schlecht abschneiden. Auch die Platzierung in den Charts wird natürlich genau beobachtet. Unsere letzten drei Alben sind unter den ersten drei Plätzen eingestiegen. Sollte sich das mal ändern, werden sicher viele denken oder sagen: »Was ist denn mit denen los?«
Wichtiger als das finde ich aber den eigenen Anspruch. Wir versuchen natürlich, uns weiterzuentwickeln und besser zu werden – in jeder Hinsicht. Das ist nicht immer leicht, aber wir folgen da unserer Intuition und unserem Instinkt. Der hat uns bislang immer gut geleitet.
musikschulwelt: Ihr fünf verbringt vermutlich mehr und intensiver gemeinsame Zeit miteinander als jedes Ehepaar. Gibt es bei euch so etwas wie einen »Gruppenkodex«?
Einen schriftlichen Kodex haben wir nicht. Aber wir haben natürlich jahrelange Erfahrung im Umgang miteinander. Wir wissen einander zu schätzen und haben gelernt, mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Natürlich kracht es trotzdem manchmal, aber alles andere wäre auch nicht normal. Seit zwei Jahren nutzen wir auch eine regelmäßige Supervision, um Spannungen und Konflikte in der Band zu lösen. Das ist eine große Hilfe.
musikschulwelt: Die Wise Guys sind ja in Sachen interne Streitigkeiten ausgesprochen skandalfrei. Habt ihr ein paar »gruppendynamische« Tipps für junge Bands, deren Mitglieder sich auch gemeinsam auf den Weg machen wollen?
Streit lässt sich auch in der besten Band nicht verhindern. Wenn es ein Thema gibt, um das gestritten wird, dann sollte man versuchen, es offen anzusprechen. Den Frust in sich hineinfressen und den Ärger aussitzen, hat noch nie zum Erfolg geführt. Man kann auch versuchen, sich Hilfe zu holen, z.B. jemanden, der ein Streitgespräch moderiert, damit man sich nicht mit Worten verletzt.
Genügend Vitamine und ein Schal zu viel
musikschulwelt: Die Stimme ist ja euer Handwerkszeug und Kapital. Welche Maßnahmen trefft ihr, damit alle gemeinsam z.B. die Strapazen von Tourneen stimmlich überstehen?
Natürlich muss zunächst mal jeder auf seine Stimme Acht geben. Lange feiern und laut singen oder sprechen sind daher vor einem Konzert tabu. Um sich möglichst keine Erkältung einzufangen, sollte man genügend Vitamine zu sich nehmen und lieber einen Schal zu viel als zu wenig anziehen.
Außerdem haben wir die Regel, dass nicht mehr als vier Konzerte am Stück stattfinden dürfen. Danach muss ein Tag Pause sein, damit sich unsere Stimmen erholen können.
musikschulwelt: Wie läuft denn bei euch der Abstimmungsprozess, wenn ein Lied entsteht?
Die meisten Songs entstehen in unseren »Kreativzeiten«. Eddi, Nils, Dän und unser Gesangslehrer Erik Sohn fahren dann gemeinsam weg, um in Ruhe komponieren zu können. Zurück kommen sie meistens mit vielen neuen Songs, die wir uns dann gemeinsam anhören. An den fertigen Songs wird in der Regel nicht viel verändert. Vielleicht mal ein wenig im Arrangement für die Bühne, aber das meiste ist schon fix und fertig und gut, so wie es ist.
musikschulwelt: Der Alltag eines Musikprofis ist ja nicht nur eitel Sonnenschein. Ist es nicht auch auf die Dauer ermüdend, Abend für Abend auf der Bühne zu stehen, die gleichen Lieder, ähnliche Anmoderationen und Witze zu präsentieren?
Wenn wir lange Zeit das gleiche Programm gespielt haben, dann wollen wir eine Veränderung. Oft bauen wir dann neue Songs ein oder stellen das Programm leicht um. Ein neues Programm ist immer am spannendsten, weil wir nie wissen, wie die Songs auf der Bühne funktionieren.
Ein Gig als »Die fantastischen neun Guys«?
musikschulwelt: Habt ihr einen musikalischen Traum, den ihr in Zukunft einmal Wirklichkeit werden lassen möchtet?
Es gibt keinen ganz konkreten Traum, den wir uns unbedingt mal erfüllen wollen. Ich für meinen Teil würde sehr gerne einmal zusammen mit Musikern, die ich sehr schätze, auf der Bühne stehen und Songs singen. Dazu gehören beispielsweise » Die fantastischen Vier«. Und es wäre ein Ritterschlag, wenn es uns in der Zukunft gelänge, mit einem Album auf Platz 1 der Charts einzusteigen – das haben wir bislang noch nicht geschafft.
musikschulwelt: Könnt ihr Jugendlichen raten, die Musik zum Beruf zu machen?
Das ist eine schwierige Frage. Alles daran zu setzen, Musiker zu werden, kann Segen oder Fluch sein. Man sollte es nicht machen, um reich und berühmt werden zu wollen, denn die Chancen dafür stehen nicht besonders gut. Wenn man aber die Musik und ein (oder zwei?) Instrumente liebt, dann kann es durchaus eine Option sein. In einer Phase, in der man die Möglichkeit hat, alternative Lebenswege auszuprobieren, sollte man sich von seiner Intuition leiten lassen. Ich wünsche jedem, der sich auf dieses wunderbare Risiko einlässt, Glück und Erfolg.
Ein Beitrag aus der O-Ton-Reihe »Auch ich war Musikschüler« von musikschulwelt.de
Auch die Großen haben einmal klein angefangen. Ob am Instrument oder im Chor: Es sind oft unvergessliche Erinnerungen, die sich damit verbinden. musikschulwelt schaut gemeinsam mit Stars aus und jenseits der Musikszene auf deren ersten Gehversuche in der Musik.
Die Wise Guys sind mit ihrem neuen Programm ab sofort auf Tournee. Alle Termine findet ihr unter www.wiseguys.de.