Wilhelm Friedemann Bach bekommt zum 300. Geburtstag eine neue Biografie
Unter den Musikersöhnen Johann Sebastian Bachs gilt er als das Enfant terrible – und lange haftete ihm der Ruf eines genial gescheiterten, dem Alkohol ergebenes Genie an. Natürlich hatte es Wilhelm Friedemann alles andere als leicht: ein übermächtiger Vater, ein sehr erfolgreicher jüngerer Bruder Carl Philipp Emanuel – also Umstände, die diesen Musiker als Roman- oder Opern-, aber auch als Leinwand-»Held« in der Vergangenheit zu einer weitestgehend realitätsfernen Kunstfigur werden ließen.
Endlich hat sich nun mit Ulrich Kahmann ein wortgewaltiger Autor der überfälligen Aufgabe gestellt, dieses verzeichnete und unhistorische Bild des überaus begabten Komponisten neu zu zeichnen, ohne dabei Schönfärberei zu betreiben: das Bild eines getriebenen Mannes, der sich nicht allein damit schwertat, sich gegenüber dem Vater zu behaupten, sondern der auch Probleme hatte, seinen Platz in der musikalischen Übergangszeit vom Barock zur Klassik zu finden. Dabei bedient sich der auch als Hörfunkautor erfolgreiche Hochschuldozent einer erfrischenden Sprache, die bewusst den wissenschaftlichen Duktus vermeidet, ohne dabei beliebig oder unklar zu sein. Ein sich augenblicklich einstellendes Lesevergnügen illustrieren schon Überschriften wie »Lektionen fürs Leben«, »Organist im Feenland«, »Das Ende der Beherrschung« oder »Unhappy End«. Dennoch bleibt Kahmann keinen (wissenschaftlichen) Nachweis schuldig, sei es durch einen Fußnotenapparat oder den Anhang mit ausführlichen Literaturhinweisen.
Ulrich Kahmann
Wilhelm Friedemann Bach – Der unterschätzte Sohn
316 Seiten, 9 Abb., kart. EUR 29,80
Aisthesis Verlag
ISBN 978-3-89528-828-9
musikschulwelt meint: Die sprachlich virtuose Ehrenrettung eines verkannten Komponisten – und dabei ein Lesevergnügen für wirklich jeden Musikfreund!