Musikalische Bildung für alle – Musikklassen und ihre Konzepte I

Schulischer Musikunterricht – vom Nebenfach zur Königsdisziplin

Jahrzehntelang fristete der Musikunterricht an den Schulen der Bundesrepublik ein Mauerblümchen-Dasein. Geschätzt allenfalls als dekoratives Beiwerk war er häufig erstes Opfer bei Stundenkürzungen und Einsparungen. Lehrpläne und Unterrichtsmethoden haben diese Randständigkeit eher noch zementiert.
Die heutige Elterngeneration erinnert sich an Musikstunden, die neben ein wenig Singen in erster Linie Zuhören bedeuteten: entweder in Form von Frontal-Unterricht in Musiktheorie oder als Vorspiel von Musikstücken auf dem Klavier bzw. der Stereoanlage.

Seit einigen Jahren hat ein radikales Umdenken stattgefunden.

Zwischen 1992 und 1998 wurde an Berliner Grundschulen eine Langzeitstudie durchgeführt und im Jahr 2000 veröffentlicht. Diese Studie „Musik(erziehung) und ihre Wirkung“  von Hans Günther Bastian konnte zeigen, dass sich intensiver Musikunterricht und gemeinsames Musizieren rundum positiv auswirken:

Für den einzelnen Schüler wie für den gesamten Klassenverband und nicht nur im musikalischen sondern auch in anderen Lernbereichen.

Die genannte Langzeitstudie und weitere ähnliche Studien stellen unter anderem folgende Effekte heraus:

  • Steigerung sozialer Kompetenz und Teamfähigkeit
  • Emotionale Stabilität, Verminderung von Aggressionen und Gewalt
  • Verbesserung der kognitiven Entwicklung
  • Höhere Konzentrationsleistungen
  • Steigerung der Kreativität

In den Medien und auch in der Bildungspolitik haben solche Erkenntnisse große Resonanz ausgelöst. Die musikalische Erziehung wird seitdem neu bewertet als eine Form universaler Förderung der kindlichen Entwicklung. Und es hat sich auch die Einschätzung durchgesetzt, dass diese musikalische Grundlage mit aktiven Tun einhergehen muss und möglichst früh gelegt werden sollte.

„Musikalische Bildung für alle“ ist eine beliebte bildungspolitische Zielsetzung geworden. Sie erfordert aber neue musikpädagogische Konzepte und gewaltige finanzielle Anstrengungen. Instrumentalunterricht ist und bleibt kostenintensiv und war nicht von ungefähr bislang ein Privileg des bildungsbürgerlichen Nachwuchses. Programme wie „JeKi – Jedem Kind ein Instrument“ an Grundschulen in NRW und Konzepte für Musikklassen an weiterführenden Schulen (z.B. „Klasse im Puls“ in Bayern), haben zum Ziel, möglichst viele Kinder – gerade auch solche, die sozial benachteiligt sind und/oder Lernprobleme haben – zu erreichen.

Eltern sehen sich bei der Einschulung oder beim Übertritt an die weiterführende Schule häufig vor die Wahl gestellt, ihre Kinder in Musikklassen anzumelden. Viele Schulen haben auf den oben geschilderten Trend reagiert und Musikklassen eingerichtet. Die Konzepte ähneln sich hier zwar, dennoch gibt es bislang keine definierten Standards für Musikklassen – die Schulen befinden sich vielfach noch in einer Experimentierphase. Und den Familien wird bei allen Bemühungen um Förderung und Sponsoren immer noch ein erheblicher Anteil an den Kosten der musikalischen Förderung abverlangt.

Musikschulwelt hat im Folgenden grundlegende Konzepte für Musikklassen recherchiert. Fortsetzung