Der international umjubelte Virtuose bei musikschulwelt über seine musikalischen Anfänge
Erst 27 Jahre alt und bereits einer der gefragtesten Gitarristen weltweit: Rafael Aguirre Miñarro hat nicht weniger als zwölf der bedeutendsten internationalen Gitarrenwettbewerbe gewonnen, war bereits für den Latin Grammy Award nominiert, lehrt heute an der Musikhochschule Düsseldorf und gab Ende letzten Jahres sein Debüt in der weltberühmten Carnegie Hall. Wenn die Gitarre den Spanier ruft, kann er einfach nicht widerstehen. Doch wie hat alles angefangen? Und wie gelangt man dorthin, wo der Saitenvirtuose heute steht?
musikschulwelt: Wie sind Sie der Gitarre verfallen?
Es war der Wunsch meiner Eltern, Musik in unsere Ausbildung zu integrieren. Was für ein Instrument, spielte keine Rolle, aber damals in Südspanien, in Malaga, wo ich herkomme, konnte ich nur zwischen Gitarre und Klavier auswählen. Mein älterer Bruder hatte ein Jahr zuvor mit Klavier angefangen und da dachte ich, dass es vielleicht besser wäre, Gitarre zu nehmen, aber ich kannte das Instrument nicht wirklich. Nachdem ich angefangen hatte, entdeckte ich eine Platte, die mein Leben verändert hat. Darauf spielt Narciso Yepes spanische Musik – und da war mir klar, dass Gitarre so etwas wie meine eigene Familie ist, dass ich irgendwie dazugehöre. So etwas erlebt man selten in seinem Leben.
Es war hart, die Ergebnisse dafür aber wunderbar …
musikschulwelt: Da waren Sie ja auch noch sehr jung …
Ich war 8 Jahre alt, aber davor hatte ich ein Jahr Solfeggio (eine besondere Art intensiver musikalischer Grundausbildung) gemacht, wo wir Rhythmus und Gesang lernten. Das hat unheimlich geholfen, um von Anfang zu verstehen, was ich spiele. Dann folgten vier weitere Jahre Solfeggio-Ausbildung immer parallel zum Gitarrenunterricht. Es war hart, aber hat wunderbare Ergebnisse hervorgebracht.
musikschulwelt: Und wo haben Sie gelernt?
Ich habe eine Musikschule bzw. ein Konservatorium besucht, bis ich zwölf war. Dann bin ich zur Musikhochschule in Malaga gegangen, nicht weil ich ein Wunderkind war, sondern weil die nächsten Kurse dort belegt werden mussten. Ich habe in Spanien insgesamt bei fünf Lehrern gelernt … und ich bin allen sehr dankbar.
musikschulwelt: Nun ist man als Kind und Jugendlicher ja nicht unbedingt Übe-Weltmeister …
Am Anfang kann Gitarre sehr anstrengend sein und deswegen braucht man ein bisschen Druck von den Eltern, aber eigentlich hat es mir immer gefallen und ich habe ziemlich viel geübt: 12 Minuten täglich im ersten Jahr, dann 1 Stunde, dann 2 Stunden usw. – aber nie in meinem Leben habe ich mehr als 6 Stunden geübt. Ich denke, ein Kind muss auch spielen, Freunde haben und andere Sachen machen.
Die Gitarre ist wie eine nette Dame …
musikschulwelt: Und es gibt ja auch diese Phasen, in denen man sein Instrument nicht mehr sehen kann …
Ja, natürlich, es gab immer Momente, wo ich ein paar Tage keine Lust zu spielen hatte. Aber das Schöne ist: Die Gitarre ist wie eine nette Dame, die immer nach dir ruft … und nach einer Weile kannst du dann nicht mehr Nein sagen. Aber ich finde auch, dass wenn man sehr viel geübt und etwas geschafft hat, unbedingt eine Pause eingelegt werden sollte, um neue Kräfte zu sammeln und um darüber nachzudenken, wie man geübt hat und was man verbessern kann. Musikhören hilft zum Beispiel sehr dabei.
musikschulwelt: Bestand denn Ihre Jugend ausschließlich aus Musizieren?
Ich habe Fußball gespielt, fast jeden Tag. Und auch Videogames, wovon meine Mutter nicht so begeistert war! Ich ging gerne ins Kino und schaute Fernsehen. Ich hatte eine ganz normale Kindheit. Musik war nur ein Teil meiner Ausbildung, der immer Spaß gemacht hat, außer – zugegeben – bei den theoretischen Fächern (vielleicht weil ich zu jung dafür war, denn ich wollte lieber Klänge produzieren als analysieren).
Jedes Kind sollte Musik mindestens einmal richtig erleben!
musikschulwelt: Was hat dem jugendlichen Rafael die Beschäftigung mit Musik gebracht?
Musik hat mir geholfen, meine Vorstellung zu erweitern und um vieles zu lernen (z.B. Geografie anhand von deutschen und russischen Komponisten). Auch hat sie bestimmt mein Gedächtnis verbessert, was sehr nützlich für die Schule war, wo ich nie gerne hingegangen bin. Auch wenn ich traurig oder euphorisch war, habe ich versucht, durch die Musik diese Gefühle zu beschreiben, zu verstehen und sogar zu steigern! Musik kann so vieles Gutes bewirken! Jedes Kind sollte Musik mindestens einmal richtig erleben!
musikschulwelt: Und damit wuchs auch der Wunsch, Musik ein Leben lang zu machen?
Ich habe immer zu meiner Mutter gesagt. »Mama, ich will Konzerte geben wie alle diese großen Gitarristen. Denkst du, ich schaffe es?« Und sie meinte, ich müsse sehr dafür hart arbeiten. Eines Tages dann sagte sie zu meinem Gitarrenlehrer, dass es mein Traum sei, Konzertgitarrist zu werden. Ich bin fast rot geworden! Aber dann die Überraschung, als er antwortete: »Das ist kein Traum, er muss nur üben und er kann das schaffen.« Das war 1999 und ich 14 Jahre alt. Noch im selben Jahr bin ich zu einem internationalen Festival in Malaga gefahren und alle meinten zu mir, es sei nur eine Frage der Zeit und ich müsse einfach auf dem richtigen Weg bleiben.
Mozart und ich – wir hätten viel Spaß!
musikschulwelt: Wenn Sie einen Kurztrip in die Vergangenheit frei hätten, welchen Komponisten wollten Sie treffen?
Vielleicht Mozart. Ich denke, wir könnten beide viel Spaß haben. Aber es macht Angst, über solche Sachen nachzudenken, diese Künstler waren so genial. Manchmal, wenn ich in Düsseldorf am Rhein spaziere, wo ich jetzt wohne, habe ich das Gefühl, Schumann zu sehen, und ich höre seine Musik in meinem Kopf – ein wunderbares Gefühl!
musikschulwelt: Welche Kompositionen zählen denn zu Ihren persönlichen Favorits?
Vielleicht »Gran Jota« und »Recuerdos de la Alhambra« von Francisco Tárrega (1852-1909). Und dann die »Spanische Serenade« von Joaquin Malats (1872-1912), die man sich hier auf YouTube einmal anhören kann. Ich denke aber auch, Bearbeitungen sind wichtig, weil in der Klassik-Welt die Leute etwas hören möchten, was sie schon kennen. Aus diesem Grund spiele ich die »Kinderszenen« von Robert Schumann, »Clair de lune« von Claude Debussy oder die drei »Preludes« von George Gershwin – alles Stücke, die ich auf meiner neuesten CD »Transcriptions« beim Label KSG Exaudio eingespielt habe.
musikschulwelt: Sollten Sie Ihrem Instrument eine Liebeserklärung machen, wie würde diese lauten?
Liebe Gitarre,
danke für deine Treue. Du hast mich so glücklich gemacht
und ohne dich wäre mein Leben viel uninteressanter geworden.
Ich hoffe, wir bleiben immer zusammen und es kommen noch viele schöne Momente.
Ein Beitrag aus der O-Ton-Reihe »Auch ich war Musikschüler …« von musikschulwelt.de
Auch die Großen haben einmal klein angefangen. Ob am Instrument oder im Chor: Es sind oft unvergessliche Erinnerungen, die sich damit verbinden. musikschulwelt schaut gemeinsam mit Stars aus und jenseits der Musikszene auf deren ersten Gehversuche in der Musik.