„Dieses Buch handelt von den inneren Quellen spontanen Schaffens. Es handelt davon woher Kunst kommt.“
Der Autor Stephen Nachmanovitch, Jg. 1950, lebt als Musiker und Künstler in Virginia. Die Improvisation ist sein zentrales Thema, das er sowohl praktisch in seinen Violinkonzerten und Workshops als auch theoretisch in Texten und Vorträgen auslotet. 1990 erstmals erschienen, hat der O.W. Barth Verlag 2013 eine vollständige Neuausgabe von „Free Play – Kreativität geschehen lassen“ aufgelegt.
„Wir alle improvisieren“ (S. 27) – in der Sprache praktizieren die Menschen ein unmittelbares, spontanes Schaffen. Aber Schule, Alltag, Medien, Ängste usw. können Kreativität auch blockieren. Nachmanovitch geht es darum, den Prozess der Kreativität zu beschreiben, verständlich zu machen und wesentliche Hemmnisse zu benennen. Für den Autor, der sich hierbei stark an fernöstlicher Philosophie orientiert, besteht dabei kein Zweifel: „Der kreative Prozess ist ein spiritueller Weg.“ (S.24). Ein Buch für alle, die sich mit ihren kreativen Kräften auseinandersetzten wollen…
Das Spiel als elementare Tätigkeit ist einer der zentralen Begriffe des Buchs. Kreatives Schaffen wird als eine Form des Spiels definiert. Spiel ist gleichermaßen experimentell, prozessortientiert, zweckfrei und es führt in die Selbstvergessenheit. Nachmanovitch zieht viele alltagsbezogene Beispiele und zudem Zitate von Philosophen und Künstlern heran, wie kreative Energie freigesetzt, aber auch blockiert wird. Während er Üben grundsätzlich positiv besetzt sieht: „Beim Üben ist Arbeit Spiel, Üben belohnt sich selbst“ (S.97), wird reiner „Technik-Professionalismus“ als Sackgasse gesehen. Es gilt eine Haltung zu finden, die Angst vor Kritik ebenso überwindet, wie das Bedürfnis nach Kontrolle, die in eine Verbundenheit mit dem Instrument mündet und nicht in dessen „Beherrschung“.
Geduld, Ergebenheit, Leere und Reifung sind weitere zentrale Begriffe, die Nachmanovitch – mit vielen Verweisen auf den ZEN-Buddhismus – heranzieht: Kreativität lässt sich nicht erzwingen. Der Autor zielt auf ein ganzheitliches Konzept, das Kunst und Leben, Leben und Arbeit im Einklang sieht.
Im Zusammenspiel treffen sich verschiedene Typen von Kreativität, betreiben „ästhetische Konversation“ oder „intermediale Zusammenarbeit“ und erweitern so das Spektrum der Möglichkeiten hin zu einer „Cross-over-Kunst“ (S.127). Bei improvisierter Musik geht es darum „den kollektiven Atem aufzuspüren und zu verstärken“ (S.131).
musikschulwelt meint: Der Autor argumentiert sehr schlüssig und anschaulich und vertieft das Verständnis kreativer Prozesse, wie ein Künstler sie selbst wahrnimmt. Ein auch optisch sehr schönes Buch mit sinnreichen Illustrationen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse oder Studien zum Thema wurden aber nicht einbezogen. Auch wer sich eine „Anleitung“ zum kreativ sein oder praktische Tipps zur Improvisation erwartet, ist hier falsch.
Stephen Nachmanovitch
Free Play – Kreativität geschehen lassen
Hardcover, O.W. Barth
01.02.2013, 272 S., 19,99 Euro
ISBN: 978-3-426-29216-7