Instrumentalunterricht 50 plus

Schweizer Forscherteam sammelt Erfahrungsberichte

Ein Instrument (wieder-)erlernen auch in späten Jahren? – ein Schweizer Forschungsprojekt mit dem Titel „Mach dich schlau – Lern- und Lehrstrategien im Instrumentalunterricht 50plus“ ermutigt dazu ausdrücklich! An der Hochschule der Künste Bern hat ein Forscherteam sich mit den Motiven der „Spätlernenden“ beschäftigt und mit den Möglichkeiten und Zielen des Instrumentalunterrichts 50 plus. Die Forscher haben dazu 45 Intensivinterviews geführt: 15 mit musikalischen Anfängern, 15 mit Wiedereinsteigern und 15 mit Lehrenden, die Erwachsene unterrichten. Es zeigt sich: Die Erfahrungen sind vielfältig wie die Menschen – und dazu überwiegend positiv!

Der Anstoß auch im fortgeschrittenen Alter die eigenen musikalischen Fähigkeiten zu trainieren, kommt häufig aus dem familiären Umfeld. Eltern, die ihre Kinder ein Instrument lernen lassen, werden dadurch selbst inspiriert:

«Ich hatte Mütter und Väter, die kamen in den Unterricht weil ihre Kinder zuerst kamen. Zum Mitspielen. Manchmal gab es dann Eltern die selbständig weitermachen wollten.» (Herr H., 62, unterrichtet Djembe und Palindrum).

Dabei kann auch der „erwachsene“ Sinn für Nützlichkeit ins Spiel kommen:

«Nach dem Auszug der Kinder blieb das Cello im Haus zurück. Es ist deshalb kein Zufall, dass dies das Instrument der Wahl wurde.» (Frau Z., 62, Cello).

Aber auch die Prägung in der eigenen Jugend – etwa durch eine musizierende Verwandtschaft oder andere musikalische Vorbilder – kann bei den Erwachsenen eine späte Umsetzung auslösen.

Ob spontaner Entschluss oder langgehegter Wunsch: In jedem Fall erweist sich die Lebensphase 50plus als förderlich für einen kreativen Neuanfang. In Beruf und Familie ergeben sich mehr Freiräume, das Bedürfnis einmal wieder etwas für sich selbst zu tun.

«Nach der Hochzeit und mit den Kindern habe ich eine musikalische Pause gemacht. Danach wollte ich ein neues Instrument lernen. Auf der Querflöte spielen zu lernen ist jetzt schon die Erfüllung von einem Traum.» (Frau V., 51, Querflöte).

Viele suchen nun eine sinnvolle Betätigung, bei der die eigene Aktivität und das Aufrechterhalten der geistigen Beweglichkeit im Vordergrund stehen.

«Die Herausforderungen am Instrument halten mich sicher lebendig und haben einen positiven Einfluss auf das Älterwerden.» (Herr R., 73, Fagott).

Erwachsene, die Instrumentalunterricht nehmen, sind zunächst besonders motiviert und empfinden ihr Tun als Bereicherung, als Freiraum und Selbstverwirklichung. Sie haben das Gefühl, dass sie sich dadurch nicht nur geistig sondern auch körperlich fit halten. Viele eröffnen sich dadurch auch neue soziale Kontakte.

«Das Soziale ist ein zentraler Aspekt. Ich habe einen unglaublich großen Freundeskreis bestehend aus Musikern. Das bereichert mich wahnsinnig». (Herr G., 71, Klavier).

Erwachsene bringen nicht nur ihr bewusstes Wollen in den Unterricht mit, sondern auch die Summe ihrer bisherigen Lernerfahrungen. Sie sind in der Regel kritischer gegenüber sich selbst und es kann auch Frustration auslösen, wenn der eigene Anspruch nicht so schnell umzusetzen ist. Insofern ist es wichtig, dass auch die Lehrenden sich auf ihre erwachsenen Schüler einstellen:

«Die Lockerheit eines Kindes haben Erwachsene meist nicht mehr, sie wollen alles auch intellektuell begreifen, wollen Begleitliteratur […] Ein Kind hat einfach Freude, wenn es etwas besser geht, Erwachsene haben Pläne, das muss dann klappen – dabei brauchen manche Prozesse – Kraft, Luft – Zeit» (Herr O., 56, unterrichtet Horn).

Wer als Erwachsener Musikunterricht nimmt, formuliert sich selbst gegenüber konkrete Ziele: Das kann von „nur“ für sich selbst zu spielen, oder einfach „Spaß“ zu haben, über das Musizieren mit anderen bis hin zum Improvisieren oder zur tieferen Durchdringung musikalischer Werke reichen. Und außerdem haben Erwachsene meist auch konkretere Vorstellungen, welche Art von Stücken sie erlernen und spielen möchten. Diese Ziele mit den Lehrenden abzustimmen, ist eine wichtige Grundlage, damit der Unterricht zwar fordert, aber auch nicht überfordert.

«Ich haben keinen Anspruch. Ich habe Methoden, wie man an ein bestimmtes Ziel kommt. Ich unterstütze die Erwachsenen im Erreichen ihres Zieles und zeige ihnen Wege dahin auf. Aber ich spreche auch Klartext, ob die Ziele realistisch sind und ob es funktionieren kann.» (Herr W., 62, unterrichtet Saxophon).

Fazit: Auch wenn es etwas Mut und Willenskraft braucht, sich in einer späteren Lebensphase einer neuen Herausforderung zu stellen, so gewinnt man durch das Musizieren Lebensqualität:

«Alle Leute sollten so etwas machen, es gibt einem viel im Leben, man kommt über viele Schwierigkeiten hinweg. Es macht Freude und Spaß und man kann das Alter besser annehmen.» (Frau B., 72, Saxophon)

Eine ausführliche Dokumentation des Forschungsprojektes können Sie hier nachlesen unter:

 

  1 comment for “Instrumentalunterricht 50 plus

  1. Ich habe in einem Klavierforum gelesen, da wurde ständig gesagt, dass man Unterricht nehmen sollte und keinesfalls über seinem Niveau spielen sollte. Jemand schrieb dort, er habe sich selbst zwei Jahre lang autodidaktisch unterrichtet und könne auch schon anspruchsvollere Stücke auszugsweise spielen – die zu schweren Stellen ließ er weg. Der wurde dort massiv über mehrere Seiten angegangen, dass er „auf Kindergartenniveau“ spiele, weil er nicht systematisch mit Lehrer langsam an kompletten Stücken arbeite.
    Ich denke, man sollte gerade erwachsenen Anfängern entgegenkommen und wenn da jemand nur bestimmte Sätze oder vielleicht aus einem Lieblingskonzert die Lieblingsstellen lernen möchte, sollte man als Lehrer darauf eingehen, vor allem, wenn er nur für sich alleine spielt.

    Ein Problem ist sicherlich oft die Zeit, in der Musikschulen geöffnet haben und die Arbeitszeit der erwachsenen Spieler. Hätten Musikschulen z.B, auch mal am Samstag geöffnet, würden mehr erwachsene Spieler Zeit für Unterricht finden.

    Ein anderer Punkt könnten Lehrwerke sein, die oft sehr lange nur bestimmte, vorgegebene Lieder/ vereinfachte Stücke bieten, während der Erwachsene in seiner Freizeit etwas ganz anderes hört.
    Wenn hier eine Öffnung stattfindet und der Lehrer mit dem Schüler auch im ersten Jahr schon nach Stücken, vereinfach oder auszugsweise, sucht, die der Schüler kennt und gern spielen möchte, würde sich oft die Motivation wohl erhöhen. Da gibt es ja inzwischen viele Notenhefte mit diversen vereinfachten Stücken aus diversen Stilen, aber oft hat ein Lehrer einen eigenen Lehrplan.
    Eine Öffnung davon, ein vorgegebener Lehrplan, der aber immer wieder auch durch Wunschstücke des Schülers unterbrochen würde, die der Schüler auch mit dem Lehrer gemeinsam aussucht – Tschaikowski Violinkonzert im ersten Jahr dürfte zu schwer sein 😉 – würde die Sache für viele Erwachsene wohl interessanter machen, während Kinder oft völlig offen für den vorgegebenen Unterricht sind und da wenig vermissen.

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