musikschulwelt spricht mit Mirjam von Jarzebowski über den von ihr entwickelten »Plan M – Mehr Musik machen«, das erfolgreiche Musikvermittlungsangebot des WDR für alle Altersklassen. Dafür beschäftigt sich die junge WDR-Redakteurin quasi hauptberuflich mit der Frage: Wie und womit lassen sich heute Kinder, Jugendliche und Neugierige musikalisch begeistern?
Seit zwei Jahren betreut Mirjam von Jarzebowski verantwortlich das sehr umfangreiche Musikvermittlungsangebot der WDR-Klangkörper. Dabei ist es der 32-jährigen Redakteurin gelungen, Interessen und Bedürfnisse der unterschiedlichsten Zielgruppen zu berücksichtigen: Kinder- und Familienkonzerte, Probenbesuche und Mitmachprojekte für Teenager oder Kindergarten- bzw. Schulbesuche von Profimusikern zählen zu ihrem »Plan M«. Nicht zu vergessen das ganzjährige und für Jugendliche preisreduzierte Angebot, eines der zahlreichen spannenden und teilweise moderierten Konzerte der WDR-Ensembles zu besuchen, die längst nicht nur Klassik, sondern auch Jazz oder Rock präsentieren … Mirjam von Jarzebowskis »Plan« funktioniert derart gut, dass wir hellhörig wurden!
musikschulwelt: Wie stark ist das Interesse an den verschiedenen »Plan M«-Angeboten?
Sehr beliebt sind unsere Kindergarten- und Grundschultourneen »Das Blech kommt … aber nicht allein!«. Bei diesem Angebot touren wir mit verschiedenen Kammermusikensembles durch ganz NRW und geben vor Ort kurzweilige Konzerte – direkt im Kindergarten oder in der Grundschule. Begonnen haben wir damals mit zehn Konzerten, inzwischen haben wir auf 100 Konzerte aufgestockt – und die Anmeldeliste für die nächste Saison ist jetzt schon wieder fast voll. Sehr glücklich sind wir auch über unsere »Kiraka«-Familienkonzertreihe: Hier haben wir pro Saison zwölf Konzerte, bei denen man sehr schnell reagieren muss, um noch einen Aboplatz zu bekommen. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Auslastung – bereits im Oktober hatten wir alle Workshop-Plätze, die sich über die ganze Saison verteilen, vergeben.
Schon Anfragen für die nächste Saison
musikschulwelt: Das heißt also mit anderen Worten: »Nur der frühe Vogel musiziert mit dem WDR«?
Ja, bei uns gilt das Prinzip: Wer sich zuerst anmeldet, bekommt den Platz. Viele der Anmeldungen, die ich entgegennehme, beginnen mit dem Satz: »Von meiner Nachbarin habe ich gehört, dass Sie da so ein Angebot für Kinder haben …« – das ist ganz wunderbar, wenn unsere »Plan M«-Projekte auf diese Art und Weise bekannt werden. Es geht nichts über Mund-zu-Mund-Propaganda.
musikschulwelt: Das Bedürfnis nach solchen Angeboten scheint also offensichtlich groß zu sein. Haben Sie so etwas in Ihrer eigenen Jugend, die ja noch gar nicht so weit zurückliegt, vermisst?
Unsere Musikschullehrer haben auch immer mal wieder Besuche in die Oper oder ins Konzerthaus organisiert. Allerdings waren das keine Konzerte, die speziell für Jugendliche konzipiert waren – an so etwas kann ich mich nicht erinnern. Es wäre toll gewesen, wenn es diese Angebotsfülle, wie wir sie heute kennen, schon gegeben hätte – ich wäre ein großer Fan gewesen, da bin ich mir sicher.
Der Gänsehaut-Moment, wenn einem selbst applaudiert wird
musikschulwelt: Besonders prägend sind für die Teilnehmer ja solche Musikprojekte, bei denen der Jugendliche selbst aktiv mitwirkt. Haben Sie persönlich auch diese Erfahrung gemacht?
Mein schönstes Erlebnis war, als ich zum ersten Mal Kontrafagott im Orchester spielen durfte – das schönste Stück für Kontrafagott, die »Schöpfung« von Joseph Haydn – und nach dem Schlussakkord das ganze Orchester, die alle wesentlich älter und erfahrener waren, mir applaudiert haben. Das war ein fantastischer Moment für mich.
musikschulwelt: Und dieses besondere Erlebnis ermöglichen Sie jetzt SchülerInnen über den »Plan M« …
Bei unserem Education-Projekt »Backstage – On Stage« bieten wir zum Beispiel SchülerInnen die Chance, ein Filmmusikkonzert des WDR Rundfunkorchesters nicht nur zu organisieren, sondern auch zu moderieren, die Dramaturgie zu gestalten und im Orchester mitzuspielen. Zu Beginn waren die Teilnehmer sehr motiviert, in der Mitte des Projektes gab es aber eine Durststrecke, weil ein paar Dinge doch nicht so leicht von der Hand gingen, wie sie sich es vorgestellt hatten – z.B. die Sponsorensuche. Am Konzertabend aber, als die knapp 100 SchülerInnen dann gemeinsam zum Schlussapplaus auf der Bühne standen, sah man nur begeisterte und strahlende stolze Gesichter – der Aufwand hatte sich halt doch gelohnt.
musikschulwelt: Auf welche Weise versuchen Sie die Jugend sonst für Ihr musikalisches Angebot zu begeistern?
Unsere Jugendkonzertreihe »PlanM@Philharmonie« ist sehr abwechslungsreich. Insgesamt gibt es pro Saison sechs Konzerte – alle vier Klangkörper des WDR (Sinfonieorchester, Rundfunkchor, Rundfunkorchester, Big Band) sind hier vertreten, sodass wir eine bunte Mischung aus Klassik, Rock, Pop und Jazz präsentieren können. Dann kombinieren wir in den Konzerten mal Musik mit Tanz – von Pantomime über Stepptanz bis zu Breakdance – oder mit Literatur. Alles, was auf der Bühne passiert, wird live von Kameras auf zwei Leinwände übertragen, sodass man auch in der letzten Reihe nichts verpasst.
Frische Konzertkonzepte für die Generation 2.0
Auf den Leinwänden zeigen wir auch Videoanimationen passend zur Musik, kurze Videoclips mit Porträts über die Künstler des Abends oder Reportagen über Mitmachprojekte. Denn ein- bis zweimal pro Saison fordern wir die Jugendlichen direkt zum Mitmachen auf. So hatten wir schon ein »PlanM@Philharmonie«-Konzert, bei dem 150 SchülerInnen mit dem WDR-Rundfunkchor zusammen Robert Schumanns »Zigeunerleben« gesungen haben. Am 30. Januar 2014 werden 90 Blechbläser-SchülerInnen in der Kölner Philharmonie mit einem kurzen Stück zu Beginn des Konzertes auftreten Ein junges Moderatoren-Duo führt locker durch die Veranstaltung und startet hier und da auch mal einen musikalischen Selbstversuch. Und wenn LehrerInnen ihre Klassen schon im Vorfeld im Unterricht auf das Konzert vorbereiten wollen, finden sie in unserem »Musikraum« online diverse Vorbereitungsmaterialien – von biografischen Steckbriefen über Quiz bis hin zu Musikfeatures.
musikschulwelt: All das braucht natürlich vonseiten der Schüler und Lehrer zusätzliches zeitliches Engagement. Spüren Sie da die Problematik der Schulzeitverkürzung auch unmittelbar im Feedback auf Ihr Angebot?
Ja, das merken wir leider auch. Gerade bei einem unserer aktuellen Großprojekte »Sing and Dance«, bei dem wir ein neu komponiertes Musical mit Schulchören und Tanzklassen aufführen, haben mich Lehrer angerufen, die sagten, dass sie sehr gerne mitmachen würden, es aber einfach nicht mit dem Stundenplan vereinbar ist. Sie würden unter solchem Druck mit dem Lehrplan stehen, dass solche Zusatzangebote einfach nicht zu stemmen sind – auch wenn die SchülerInnen motiviert wären und Lust dazu hätten.
Viel Motivation, aber (zu) wenig Kapazitäten in Zeiten von »G8«
musikschulwelt: Wie läuft denn konkret das aktuelle Projekt »Sing and Dance« ab, bei dem am 24. Januar 2014 SchülerInnen der Klassen 7-10 auf der Bühne des WDR-Funkhauses in Köln stehen werden?
Mit der »Sing an Dance«-Bewerbung hatten wir im April dieses Jahres begonnen. Im Juni waren dann schon alle Plätze für die Schulchöre und die Klassen, die gerne mittanzen wollten, besetzt. Mit den Schulchören proben unsere Gesangscoachs vier Nachmittage, mit den Tanz-Klassen unser Tanzchoreograph sechs Vormittage während der Schulzeit. Ende Januar gibt es dann eine komplette Projektwoche, in der wir sehr intensiv hier in Köln im WDR proben und alle Beteiligten zum ersten Mal zusammenkommen werden. Das wird spannend!
musikschulwelt: … und sicher ein unvergessliches Erlebnis für alle Teilnehmer. Was war denn Ihr persönliches Highlight unter allen bisherigen »Plan M«-Projekten?
Eigentlich ist jedes Konzert – und sei es noch so klein – ein Highlight. Besonders beeindruckend sind natürlich immer die Großprojekte, so z.B. »Kiraka singt!«. Hier haben wir in der letzten Saison mit 300 GrundschülerInnen, einem Eltern-Laienchor und dem WDR-Rundfunkchor ein sehr emotionales Konzert auf die Bühne des WDR Sendesaals gebracht. Jeder Zentimeter der Bühne war besetzt. Wenn 300 Kinder gemeinsam singen, ist es wirklich schwer, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten.
Ganz besonders freue ich mich in der laufenden Saison auch auf unser deutsch-türkisches Konzert »Kelebek im Konzert« (28.3.2013 im Funkhaus Köln), zu dem sich 1200 SchülerInnen angemeldet haben: Neben dem Konzertbesuch werden die SchülerInnen auch eine Begleit-DVD mit vielen Infos zum WDR Rundfunkorchester und türkischen Instrumenten bekommen – die Vorbereitungen sind hier im vollen Gange und machen sehr viel Freude.
Enthusiasmus und frische Ideen für den »Plan M«
musikschulwelt: Viel Spaß haben vermutlich auch die Kleineren als musikalische Detektive bei Ihrem neuen Angebot »Kommissar Krächz auf Tonsuche« …
Wir haben diese kleine Kammermusikreihe für Kinder im Alter von 3 bis 8 Jahren entwickelt. Kommissar Krächz alias Moderator André Gatzke – bekannt aus »Die Sendung mit dem Elefant« – geht mit seinem Kuschelvogel-Gehilfen Dr. Kläver auf Tonsuche. Um die Musikkrimis zu lösen, holt sich das Team Unterstützung bei Kammermusikensembles der WDR-Klangkörper. Die Kinder werden intensiv in den Kriminalfall miteingebunden: Sie müssen singen, tanzen, raten usw. Uns macht es sehr viel Spaß, diese Konzerte vorzubereiten – und der Erfolg unseres ersten Konzerts zeigt, dass nicht nur wir Spaß hatten …
musikschulwelt: Der »Plan M« erfindet sich also ständig neu. Können Sie uns vielleicht schon verraten, was für 2014/15 geplant ist?
Nächste Saison haben wir eine Schulorchester-Patenschaft des WDR Rundfunkorchesters neu im Programm. Ein Jahr lang begleiten unsere MusikerInnen die SchülerInnen bei ihren Schulorchesterproben – die SchülerInnen sind u.a. eingeladen, mit den WDR-Profis bei einem »PlanM@Philharmonie«-Konzert mitzuspielen.
Dann wird es ein großes Mitmachprojekt für Erwachsene geben. LaienmusikerInnen können mit dem WDR Sinfonieorchester und dem WDR-Rundfunkchor gemeinsam musizieren. Alle, die kein Instrument spielen, können sich weiterbilden als ModeratorIn oder RezitatorIn und dann ebenfalls im Konzert auftreten.
musikschulwelt: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten …
… dann würde ich mir besonders wünschen, dass wir es schaffen, alle, die in unsere Konzerte kommen oder bei Workshops mitmachen, für Musik begeistern zu können. Ich will erreichen, dass unser Publikum Musik als wichtigen Bestandteil in sein Leben aufnimmt, denn man kann unendlich viel Kraft und Freude daraus schöpfen. Und dass es – wenn auch nicht gleich morgen – aber irgendwann einmal wieder in ein Konzert des WDR kommen. Ein weiterer Wunsch ist, eine gemeinsame Website oder Broschüre mit allen Musikvermittlungsangeboten in NRW zu entwickeln, sodass der Interessierte sich ganz einfach zurechtfinden kann unter den vielen Angeboten der Kulturinstitutionen.
Information: https://www1.wdr.de/orchester/planm/index.html
Mirjam von Jarzebowski betreut seit 2011 als Redakteurin das Musikvermittlungsangebot »Plan M« der WDR-Klangkörper. Zuvor absolvierte sie das WDR-Traineeprogramm Musikvermittlung/Orchestermanagement. Bevor sie zum WDR wechselte, arbeitete sie als wissenschaftliche Referentin im Europäischen Parlament in Brüssel/Straßburg. Dieser Tätigkeit voraus ging ein geisteswissenschaftliches Bachelor-Studium in den Fächern Musikwissenschaft, Journalismus der elektronischen Medien und Technik an der Universität Karlsruhe (TH) und ein Masterstudium im Fach European Studies/Europäische Integration an der Universität Hannover.
musikschulwelt bedankt sich für dieses Interview, das Alexander Reischert führte.